Zum Ursprung der Waldschule als Freiluftschule

von Ewald Schürmann, Siedlung Heerstraße
Bilder aus der Publikation von Josef Rabl „Festschrift 100 Jahre Wald-Oberschule“ (2010)

Frische Luftbewegung ist eine wirkungsvolle Maßnahme gegen die Ausbreitung des Coronavirus. Deshalb gehört zum Hygienekonzept der Schulen das regelmäßige Lüften der Klassen. Also, Fenster auf, Luft rein und zirkulieren lassen, um eventuell Corona-belastete Aerosole zu bekämpfen!
Lernen in frischer Luft war aber schon lange vor Corona an der Waldschule ein Konzept der Heil- und Reformpädagogik um 1900.
Die Schule wurde 1904 als Charlottenburger „Waldschule für Gemeindekinder“ gegründet, und zwar speziell für die Zielgruppe der Kinder aus industrienahen Wohngebieten und engen Arbeiterwohnungen in Berliner Hinterhöfen, die unter diesen Verhältnissen erkrankten. Das Konzept der Schule war medizinisch-therapeutisch ausgerichtet, denn es sollten Kinder mit Lungenkrankheiten und anderen körperlichen Defiziten aus dem Mangel an frischer Luft und Bewegung in der Freiluftschule genesen.
Zunächst wurde der Schulbetrieb am heutigen Brixplatz und danach am Spandauer Damm betrieben, bis 1910 der endgültige Standort im Grunewald gefunden war. Die Schule wurde mitten im Wald errichtet, die Siedlungen Heerstraße und Eichkamp entstanden erst zehn Jahre später. Angefangen wurde mit 95 Schülern und vier Lehrern, wobei auch für eine medizinische Betreuung durch einen Arzt und Krankenschwestern gesorgt war, so dass der Schulbesuch im Freien als Kurphase verstanden wurde. Bald stieg die Zahl der Schülerinnen und Schüler (Koedukation war selbstverständlich) auf 265 Kinder.
Der Unterricht im Freien bot in den „Luftklassen“ viele Möglichkeiten, den Körper gründlich zu durchlüften und zu stärken. Die Ganztagsschule von 9 bis 18 Uhr fand im Sommer zwischen April bis Ende September statt. Es gab im Sinne der Reformpädagogik viele anregende Aktivitäten zwischen Lernen und Gartenarbeit, Sport und Spiel. Die Atmosphäre war kooperativ, die damals üblichen Prügelstrafen waren verpönt. Das Essensangebot wurde sorgfältig nach medizinischen Gesichtspunkten gestaltet, für Ruhephasen und den Mittagsschlaf gab es Liegestühle im Kiefernwald.

 
 
 
 
 
 
Die von Charlottenburg ausgehende Waldschulpädagogik erreichte bald einen so guten Ruf, dass es zu Gründungen von Nachfolgeschulen kam. Außerdem war die Waldschule ein Vorläufer der Ganztagsschule. Mit der Zeit ging die ursprüngliche Idee der Waldschule allerdings verloren und es entwickelte sich eine städtische Grundschule für alle Kinder aus der Nachbarschaft und weiteren Umgebung. Jedoch ist nach wie vor die wunderbare Lage mitten im Wald ein großes Plus, das diese pädagogische Einrichtung sehr beliebt und begehrt macht.
Dieser Beitrag erschien gedruckt im „infoeichkamp“ vom November 2020

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